Post aus Palästina nach Berlin-Halensee 1934

In den vergangenen Monaten habe ich mich – nach dem Fund der Postkarte an die Gartenbauschule in Ahlem – intensiver mit den jüdischen, zumeist zionistischen Jugendbünden im Deutschland der Dreißiger Jahre befasst. Viele dieser Gruppen organisierten sich im zionistischen Dachverband Hechaluz und konzentrierten sich nach 1933 darauf, ihre Mitglieder auf die Alijah, die Auswanderung nach Palästina, vorzubereiten (Hachschara), um der wachsenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen.

In diesem Beitrag zeige ich eine kürzlich erworbene Postkarte, die Benjamin Goldschmidt aus Palästina an Frl. Senta Grabowsky, Berlin-Halensee, Katharinenstraße 27, Germany sandte. Die Postkarte trägt das Datum vom 29. Dezember 1934. – Benjamin Goldschmidt schreibt:

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Post aus französischen Internierungslagern an Albert Stiefel

Wer nach Briefen jüdischer Flüchtlinge aus französischen Internierungslagern aus der Zeit zwischen 1939 und 1943 forscht, trifft früher oder später auf in Deutsch verfasste Korrespondenz an Albert Stiefel, 12 rue roannelle, St. Etienne. In meiner Sammlung befinden sich mittlerweile neun Umschläge und Karten an Albert Stiefel bzw. an dessen Frau Rena unter gleicher Adresse; Abbildungen weiterer Postkarten an Albert Stiefel zeigt zudem die Webseite Holocaust History Archive.

Postkarte vom September 1941 aus dem französischen Internierungslager Camp de Rivesaltes an Albert Stiefel in St. Etienne (vgl. Nr. 6 unten).

Beim Betrachten der Poststücke fällt auf, dass manche handschriftliche Listen von Gütern enthalten, die Albert Stiefel offensichtlich den Absendern in die Lager schickte. Nicht immer schien es sich bei den Empfängern um Familienangehörige zu handeln. Betrieb Albert Stiefel einen Unterstützungsservice für jüdische Internierte? Was lässt sich über ihn herausfinden?

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Erinnerung an Hans Rosenthal

Kürzlich recherchierte ich über eine Postkarte, 1933 gesendet an die Gartenbauschule in Ahlem, die zu dieser Zeit eine Ausbildungsstätte für junge Jüdinnen und Juden war, die nach Palästina auswandern wollten. Dabei fand ich schnell heraus, dass die mir unbekannte Berliner Absenderadresse Schönhauser Allee 162 die des jüdischen Baruch Auerbach’schen Waisenhauses war. In diesem Waisenhaus lebten für einige Monate auch der später sehr erfolgreiche Showmaster Hans Rosenthal (1925-1987) und sein jüngerer Bruder Gert (1932-1942), der nach einer Erkrankung an Kinderlähmung 1934 körperlich beeinträchtigt war.

Hans Rosenthal war mir bereits als Kind aufgrund seiner sehr populären ZDF-Show Dalli-Dalli, zu der sich in den Siebzigerjahren die ganze Familie vor dem Fernseher traf, wohl vertraut. Dass ich bis heute zu Hans Rosenthal eine besondere Beziehung behalten habe, obwohl er doch eher zur Welt meiner Eltern gehörte, liegt an einem Dahlemer Kindergeburtstag 1976, zu dem auf einmal Hans Rosenthal erschien und vielleicht eine Stunde lang mit uns seine Fernseh-Show nachspielte.

Ein Kindergeburtstag in Berlin-Dahlem 1976. Auf einmal war da Hans Rosenthal, vermutlich mit den Eltern der Gastgeberin bekannt, und spielte mit uns Dalli-Dalli. Beim abschließenden Gruppenfoto stand ich zufällig vor Hans Rosenthal, dessen rechte Hand meine Schulter umfasste.
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Zwangsarbeit in Hannover – Lager Bornumer Holz, 14. März 1943

Bei einem Stadtspaziergang unter kundiger Leitung durch die lokale Egon Kuhn Geschichtswerkstatt konnte ich vergangenes Wochenende einiges zum Stadtteil Hannover-Linden lernen. – In meiner Sammlung findet sich ein Briefumschlag aus dem Hannover-Lindener Zwangsarbeitslager Bornumer Holz, dessen Geschichte hier dargestellt wird. Bis zu 3.500 Menschen wurden ab 1942 in dem Lager untergebracht und in benachbarten Fabriken zur Arbeit gezwungen.

Der Absender des vorliegenden Briefes war der Belgier Achille Bleu, der vermutlich in der Baracke 5 untergebracht war; zu seinem weiteren Schicksal ist mir nichts bekannt. Neben dem Poststempel von Hannover-Linden vom 14. März 1943 trägt der Brief den roten Zensur-Rollstempel A.c. sowie den Zensorstempel 65; rückseitig zudem einen einzeiligen Stempel Hannover=Linden, möglicherweise ein Lagerstempel.

Post in das Shanghaier Exil

Rund 18.000 Juden und Jüdinnen konnten aus dem Deutschen Reich bzw. den deutsch besetzten Gebieten noch bis Oktober 1941 nach Shanghai fliehen. Die von mehreren internationalen Mächten verwaltete chinesische Stadt ließ Flüchtlinge noch weitgehend ungehindert einreisen, als schon alle anderen Ländern ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge geschlossen hatten.

Die Flüchtlinge lebten in Shanghai zwar unter prekären Bedingungen, jedoch ohne politisch verfolgt zu werden. Im November 1942 wurden die jüdischen Flüchtlinge zum Umzug in das Shanghaier Ghetto gezwungen.

Briefhülle aus Berlin Wilmersdorf nach Shanghai vom 13. Juni 1941

Geschrieben von Hanna(?) Sara Plaut, Hohenzollerndamm 193, GHs B. III., Berlin-Wilmersdorf an Herrn und Frau Moritz Plaut, Shanghai-Hongkou, 805 East Seward Road, House 11. Ein Foto der Seward Street ist im deutschen Wikipedia-Eintrag zum Shanghaier Ghetto wiedergegeben.

Über Sender und Empfänger habe ich bislang nur wenig herausfinden können. Möglicherweise handelt es sich bei der Senderin um diese Hanna Plaut, die 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Zu Moritz Plaut und seiner Frau, die vermutlich beide das Exil überlebt haben, habe ich noch keine Hinweise gefunden.

Weitere Briefe nach Shanghai aus meiner Sammlung werde ich in diesem Artikel in den kommenden Wochen ergänzen.

Post aus einem jüdischen Waisenhaus an die Gartenbauschule Ahlem

Zuletzt bearbeitet am 28. Mai 2023

Diese Postkarte schrieb Alexander Teitelbaum, Schönhauser Allee 162, Berlin N58 am 7. November 1933 an seinen Berliner Freund Heinz Grunwald, Gartenbauschule Ahlem bei Hannover.

In der Schönhauser Allee 162 befanden sich seit 1897 die Baruch Auerbach’schen Waisen-Erziehungsanstalten für jüdische Knaben und Mädchen, in denen Kinder aus mittellosen jüdischen Familien versorgt und ausgebildet wurden. Im November 1942 wurde das Waisenhaus aufgelöst, über 130 Kinder und ihre Betreuer in zwei sogenannten Osttransporten deportiert und bei Riga oder in Auschwitz ermordet. Heute befindet sich in der mit Wohngebäuden überbauten Schönhauser Allee 162 der Erinnerungsort Baruch Auerbach‘sches Waisenhaus.

Die bereits 1893 gegründete Israelitische Gartenbauschule Ahlem bei Hannover diente der Ausbildung junger Juden und Jüdinnen aus prekären sozialen Verhältnissen, um deren wirtschaftliche und soziale Situation zu verbessern. Ab 1933 widmete sich die Einrichtung dann vorrangig der Hachschara, der Ausbildung und Vorbereitung der Auswanderung deutscher Juden nach Palästina. 1941 wurde das Schulgelände zur zentralen Sammelstelle von Juden aus den Regierungsbezirken Hannover und Hildesheim zur Deportation in die Todeslager im Osten. Heute befindet sich dort die zentrale Gedenkstätte der Region Hannover für die nationalsozialistische Judenverfolgung.

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Deportiert nach Theresienstadt

In diesem Beitrag veröffentliche ich die Postkarten meiner Sammlung, die zwischen 1941 und 1945 aus dem Lager Theresienstadt versandt wurden.

1. Postkarte vom 13. September 1941

Bildpostkarte des Häftlings Alois Fiala aus dem Gefängnis Kleine Festung an seine Mutter Vlasta Fialova in Prag-Smichov, Radlická 22. Mit zwei provisorischen Handstempeln finden sich in rot der Hinweis Lebensmittel werden nicht angenommen sowie in schwarz Schreibet nur zu 15. und 30. im monate. Auf der Textseite in rotem Buntstift das Kürzel der Lagerzensur.

Zur Person und zum weiteren Schicksal Alois Fialas liegen mir bislang keine Informationen vor.

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Emigriert nach Paris: Zwei Postkarten an Dr. Leo Alexander in Berlin

Im September 1938 emigrierte Martin Alexander in Begleitung seiner Frau (?) Herta aus Berlin nach Paris, um von dort aus weiter nach Argentinien auszuwandern. In zwei Postkarten an den Berliner Arzt Dr. Leo Alexander berichtet er aus den ersten Tagen seiner Emigration. Während Martin und Herta die Flucht vermutlich gelang, werden Leo, seine Frau Edith und der von ihnen angenommene Pflegesohn Wolfgang am 17. Mai 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

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100 Raritäten (5): „Kommerzienrats Olly“ von Else Ury

Else Ury ist berühmt geworden als Verfasserin der für junge Mädchen konzipierten Nesthäkchen-Romane, die zwischen 1913 und 1925 in zehn Bänden erschienen und bis heute – wenn auch sprachlich überarbeitet – verlegt werden. Die Erzählungen über das Leben der höheren Tochter Annemarie Braun aus Charlottenburg erreichten hohe Auflagen und machten Else Ury zu einer der erfolgreichsten Jugendbuchautorinnen der Weimarer Republik. Gut erhaltene Ausgaben ihrer Bücher aus der Zeit vor 1933 sind durchaus gesucht, aber gewiss keine großen Raritäten. Anders verhält es sich mit signierten Ausgaben, die in Antiquariaten kaum zu bekommen sind. Eine solche befindet sich in meiner Bibliothek.

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Barcelona, im Juli 1937

Am 15. Juli 1937 schickt eine Französin mit Namen Madeleine Grüße an die lieben Freunde Mezières in den Andennen. Die Postkarte zeigt die Placa de Catalunya im Stadtzentrum Barcelonas. Handschriftlich markiert sie ein Gebäude: „notre Hotel“. Auf der Rückseite vermerkt sie zudem: „Vive la Republique Espagnole“. Das Hotel Colón war ab 1936 das Hauptquartier der PSUC, der Sozialistischen Einheitspartei Kataloniens – vor allem aber deren Rekrutierungsbüro für freiwillige Kämpfer im Bürgerkrieg gegen die Truppen Francos.

Auch wenn ich nichts über Madeleine weiß, so darf man wohl annehmen, dass sie eine französische Sozialistin war, die sich als Freiwillige der Armee der Spanischen Republik anschloss. Offensichtlich konnte sie im Hotel Colón absteigen, bevor sie mit einer Freundin (die ebenfalls Madeleine hieß) bald an die Front weitergezogen ist. Die Tatsache, dass zwei Frauen gemeinsam an die Front gehen, könnte darauf hindeuten, dass die beiden Madeleines möglicherweise Ärztinnen oder Krankenschwestern gewesen sein könnten. Über ihr weiteres Schicksal konnte ich bislang leider nichts in Erfahrung bringen.

Dieser Beitrag ist ein kleiner Dank an Nick Lloyd (Twitter: @Civil_War_Spain) für sein Buch „Forgotten Places: Barcelona and the Spanish Civil War“.