Post aus französischen Internierungslagern an Albert Stiefel

Wer nach Briefen jüdischer Flüchtlinge aus französischen Internierungslagern aus der Zeit zwischen 1939 und 1943 forscht, trifft früher oder später auf in Deutsch verfasste Korrespondenz an Albert Stiefel, 12 rue roannelle, St. Etienne. In meiner Sammlung befinden sich mittlerweile neun Umschläge und Karten an Albert Stiefel bzw. an dessen Frau Rena unter gleicher Adresse; Abbildungen weiterer Postkarten an Albert Stiefel zeigt zudem die Webseite Holocaust History Archive.

Postkarte vom September 1941 aus dem französischen Internierungslager Camp de Rivesaltes an Albert Stiefel in St. Etienne (vgl. Nr. 6 unten).

Beim Betrachten der Poststücke fällt auf, dass manche handschriftliche Listen von Gütern enthalten, die Albert Stiefel offensichtlich den Absendern in die Lager schickte. Nicht immer schien es sich bei den Empfängern um Familienangehörige zu handeln. Betrieb Albert Stiefel einen Unterstützungsservice für jüdische Internierte? Was lässt sich über ihn herausfinden?

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Erinnerung an Hans Rosenthal

Kürzlich recherchierte ich über eine Postkarte, 1933 gesendet an die Gartenbauschule in Ahlem, die zu dieser Zeit eine Ausbildungsstätte für junge Jüdinnen und Juden war, die nach Palästina auswandern wollten. Dabei fand ich schnell heraus, dass die mir unbekannte Berliner Absenderadresse Schönhauser Allee 162 die des jüdischen Baruch Auerbach’schen Waisenhauses war. In diesem Waisenhaus lebten für einige Monate auch der später sehr erfolgreiche Showmaster Hans Rosenthal (1925-1987) und sein jüngerer Bruder Gert (1932-1942), der nach einer Erkrankung an Kinderlähmung 1934 körperlich beeinträchtigt war.

Hans Rosenthal war mir bereits als Kind aufgrund seiner sehr populären ZDF-Show Dalli-Dalli, zu der sich in den Siebzigerjahren die ganze Familie vor dem Fernseher traf, wohl vertraut. Dass ich bis heute zu Hans Rosenthal eine besondere Beziehung behalten habe, obwohl er doch eher zur Welt meiner Eltern gehörte, liegt an einem Dahlemer Kindergeburtstag 1976, zu dem auf einmal Hans Rosenthal erschien und vielleicht eine Stunde lang mit uns seine Fernseh-Show nachspielte.

Ein Kindergeburtstag in Berlin-Dahlem 1976. Auf einmal war da Hans Rosenthal, vermutlich mit den Eltern der Gastgeberin bekannt, und spielte mit uns Dalli-Dalli. Beim abschließenden Gruppenfoto stand ich zufällig vor Hans Rosenthal, dessen rechte Hand meine Schulter umfasste.
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100 Raritäten (5): „Kommerzienrats Olly“ von Else Ury

Else Ury ist berühmt geworden als Verfasserin der für junge Mädchen konzipierten Nesthäkchen-Romane, die zwischen 1913 und 1925 in zehn Bänden erschienen und bis heute – wenn auch sprachlich überarbeitet – verlegt werden. Die Erzählungen über das Leben der höheren Tochter Annemarie Braun aus Charlottenburg erreichten hohe Auflagen und machten Else Ury zu einer der erfolgreichsten Jugendbuchautorinnen der Weimarer Republik. Gut erhaltene Ausgaben ihrer Bücher aus der Zeit vor 1933 sind durchaus gesucht, aber gewiss keine großen Raritäten. Anders verhält es sich mit signierten Ausgaben, die in Antiquariaten kaum zu bekommen sind. Eine solche befindet sich in meiner Bibliothek.

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Wie ich den Mauerfall in Berlin erlebte

Irgendwann in der zehnten Klasse musste mein Sohn J. als Hausaufgabe für den Deutschunterricht ein Interview schreiben: „Befrage jemanden aus Deiner Familie zu einem besonderen Erlebnis“. Wir einigten uns darauf über den Mauerfall zu sprechen, den ich als West-Berliner damals unmittelbar miterlebte. So musste ich mich noch einmal erinnern, was ich am 9. und 10. November 1989 in Berlin sah und tat. Das Gespräch wurde dann von uns beiden redaktionell geglättet und mein Sohn erhielt eine recht manierliche Zensur dafür. Bevor diese Schularbeit aber ganz in Vergessenheit gerät, scheint mir der 30. Jahrestag der Maueröffnung geeignet, unser Interview hier zu dokumentieren. 
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Viel zu spät! Meine Highlights der re:publica

Zwei Wochen ist es nun her, dass die re:publica 2016 zu Ende ging und damit kommt dieser kurze persönliche Rückblick eigentlich viel zu spät. Nun habe ich ihn dennoch geschrieben, denn eigenartig ruhig waren diese vierzehn Tage bislang. Täuscht es mich oder sorgte die re:publica früher für längeren medialen Nachhall? 15 Vorträge habe ich an zwei Tagen gehört – das ist bei siebzehn parallel bespielten Bühnen nur ein Bruchteil des Gesamtprogramms. Doch diese subjektive Auswahl – ich muss es so offen sagen – hat mich in ihrer Gesamtheit eher enttäuscht. Wenig Neues, wenig Gewagtes, wenig Überraschendes. Im Durchschnitt würde ich die Qualität „meiner“ Vorträge mit einer Drei bewerten – und damit weit weniger wohlwollend als die Vorträge der Vorjahre. Doch es gab auch Ausreißer: drei Beiträge haben mir gut gefallen, über einen habe ich mich besonders geärgert. Weiterlesen

Nebensaison

Eine Mietangelegenheit brachte mich kurzfristig heute an die Ostsee nach Fehmarn. Anfang Februar ist gewiss keine typische Reisezeit für einen Ausflug an die See. Kalt und windig und menschenleer ist es jetzt hier. Die Insel erholt sich, kümmert sich um sich selbst und bereitet sich vor auf die Osterferien. Die Restaurants und Cafés sind fast alle noch geschlossen und nur wenige Reisende treffen sich am Strand. Melancholische Stimmung begleitet mich beim langen Spaziergang durch den Hafen und entlang des Südstrand.image

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Kein Bedarf nach Erfrischungen.

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Warum ich #Kaltland für einen schlechten Hashtag halte

Deutschland wird 2015 allen Schätzungen nach rund eine Million Flüchtlinge aufnehmen. Vor genau einem Jahr konnte diese Zahl wohl niemand vorausahnen. Deutschland hat diese gewaltige humanitäre  Aufgabe insgesamt gut bewältigt – vor allem dank seiner extrem hilfsbereiten Bevölkerung. Deutschland 2015 war ein Warmland, gewiss kein Kaltland.

imageIch glaube nicht an 100%-Gesellschaften. Keine Nation wird jemals zu irgendeinem Punkt eine einheitliche Meinung haben. Menschen sind verschieden – verschieden intelligent, verschieden gebildet, verschieden erfahren. So bitter es klingt: In jeder Gesellschaft wird es immer mindestens 5% Drecksäcke geben – Leute, deren Worte und Taten wir verabscheuen und gegen die wir Farbe bekennen müssen.

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